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TEXTE 2018 / 2019


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LAST EXIT: DYSTOPIA



In seinen Collagen verschmilzt Jürgen Tetzlaff Fotografien, die er mit Photoshop bearbeitet hat mit expressiven Übermalungen, er verbindet heftige zeichnerische und malerische Elemente mit peinlich-exakter Retusche, sowie diverse Image-Transfer-Techniken zu einem bizarr-phantastischen Trash-Pop-Surrealismus. Dessen enigmatisch-delirierende Bildwelten entziehen sich einer schnellen Interpretation durch den Betrachter und lassen ihn stattdessen mit einem traumartig-vagen, morbiden Gefühl der Irritation zurück.

Stilstisch schöpft Jürgen Tetzlaff hierfür aus den unterschiedlichsten Quellen:
Von Science-Fiction-Trash und Underground-Comics über Techno-Party-Flyer und Punk-Fanzines, von Psychedelic Poster-Art bis hin zu Cover-Artworks der Alternative- und Garagepunk-Rock-Szene ...
Sub- und trivial-kulturelle Bezüge gibt es im Werk in Hülle und Fülle. Dazu gesellen sich die Einflüsse aus dem Bereich zeigenössischer Illustration und Grafik. Namentlich die Arbeiten von: Lars Henkel, Dave McKean, Rocket + Wink, Marek Haiduk und Waldemar Strempler.
Die verstörende Fotokunst von Joel-Peter Witkin dient nicht nur als Inspiration, sondern wird auch immer wieder als Ausgangsmaterial für Collagen genutzt, welche ihrerseits wiederum Hans Bellmer und Hieronymus Bosch zitieren...

Auf den Bildern tummelt sich ein buntes Personal:
Der russische Avantgardist Rodschenko, mit fanatisch-strengem Blick, das Gesicht Harry Houdinis mit seinen hypnotisch starrenden Augen, Erwin Wurm, während einer seiner One-Minute-Sculptur-Performances, dazu die Damen aus Monsieurs Charcots Irrenanstalt, die dieser im Rahmen der ersten fotografischen Dokumentation von Geisteskrankheiten hatte ablichten lassen.

Thematisch geht es um nichts Geringeres als um die Zukunft der Spezies Mensch.
Es werden diverse Szenarien aus einem (nahen) Zeitalter der Maschinen-Intelligenz entworfen, in dem Mensch und Maschine verschmelzen, in dem die Cyber-Realitäten absolut und total sein werden.Der Mensch wird über kybernetische Körpererweiterungen und Neuro-Interfaces verfügen. Er wird digitale Kopien seines Ichs, sowie eine maßgeschneiderte, da gen-technisch manipulierte DNA besitzen.
Und er wird praktisch unsterblich sein.

Ausgehend von aktuellen wissenschaftlichen Prognosen und Aussagen bezüglich der technologischen/ menschlichen Entwicklung (Yuval Noah Harari`s"Homo Deus“, Michio Kaku`s“Physik des Bewusstseins"), aber auch von literarischen Reflektionen über die Thematik (Michele Houellebecq`s „Möglichkeiten einer Insel“) und ganz besonders geprägt durch die Bücher und Thesen von Ray Kurzweil und den Transhumanisten, entwickelt Jürgen Tetzlaff diese Szenarien konsequent weiter : Hin zum Absurden / zur Anti-Realität / zur Anti-Ratio.

Wie wird die Sexualität bei Homo Deus aussehen, welche Vorstellung von Ästhetik wird er haben? Wie werden sich diese in seinem Kunstverständnis ausdrücken, wie in seinem Körperbewusstsein, wie wird sich das in seinem körperlichen Erscheinungsbild äussern? Welche intellektuellen Herausforderungen wird es noch für die perfekte, unsterbliche Mensch-Maschine geben? Wird Neo Sapiens, ähnlich den Telepathen im Film „Zardoz“, in der unendlichen Ewigkeit seiner Unsterblichkeit schlicht vor Langeweile wahnsinnig?
Wer würde überhaupt Zugang zu diesen Technologien haben und von Ihnen profitieren? Wer bliebe aussen vor?

Jürgen Tetzlaffs kryptisch-absurden bildlichen Antworten auf diese Fragestellungen lassen jedenfalls keinen Zweifel aufkommen:
Es wird mit Homo Sapiens kein gutes Ende nehmen.....